Ausgabe Februar / März 2017 – Roland Sauerbrey

 

Bibelarbeit zu Johannes 21, 15-19

Bei der Gartenarbeit hatte ich mir einen 3 cm langen Dorn in den Daumen gestoßen. Der Dorn war schnell herausgezogen und entfernt, aber die Wunde kam nicht zur Ruhe. Der Daumen schmerzte noch Tage nach der Verletzung bei jedem Handgriff.

 

Schließlich musste die Wunde noch einmal geöffnet werden und es kam die Spitze des Dorns heraus. Wenn eine Wunde heilen soll, dann muss die Ursache beseitigt werden. So war das auch in dem Miteinander zwischen Jesus und Petrus. Durch die Verleugnung des Petrus war in der Beziehung zwischen den beiden etwas in die Brüche gegangen. Nun geht Jesus in dieser Begegnung am See Tiberias sehr einfühlsam der Ursache auf den Grund.

1. Gnade und Wahrheit
Nachdem die Jünger ordentlich gefrühstückt hatten, zieht Jesus den Petrus beiseite und fragt ihn: „Hast du mich lieb?“ Vielleicht nehmen wir diese Fragen nicht so wichtig. Unsere Themen sind eher die Gesetzlichkeit, die Heiligung oder die Frage nach der Schuld. Aber Jesus geht mit dieser Frage an den Kern des Problems. Hätte die Liebe gestimmt, wäre es nie zur Verleugnung gekommen. An vielen Stellen in der Bibel finden wir, dass die Liebe so wichtig ist (Lk 7,42). Im Judentum war es das entscheidende Ge- bot: Du sollst Gott deinen Herren lieben über alles andere (5. Mo 6,5). Warum kommt das bei uns so wenig vor? Wir wollen Gott mit dem Verstand erfassen und wundern uns, dass das nicht geht. Wie will das Ge- schöpf den Schöpfer begreifen können. Jesus bringt behutsam die Wahrheit ans Licht: Wir sollen Gott lieben, aber diese Liebe fehlt oft in uns.

2. Gnade und Vergebung
Wir würden jetzt erwarten, dass Jesus sagt: „Petrus, wie konntest du nur sagen, du kennst mich nicht? Das geht unter Freunden gar nicht!“ So machen wir das, wenn jemand an uns schuldig wird. Wir hauen auf den Tisch. Wir zeigen dem andern auf und erklären ihm, was uns so verletzt hat. Jesus spricht mit keiner Silbe von dem Versagen des Petrus, sondern er fragt ihn nur: „Hast du mich lieb?“ Jesus fragt nicht: „Hast du genügend geweint?“ „Hast du tüchtig Buße getan?“ „Bist du ordentlich auf den Knien herumgerutscht?“ So hatte Martin Luther als Mönch in Rom versucht, durch seine Buße einen gnädigen Gott zu bekommen. Das alles interessiert Jesus nicht. Er will nur, dass wir ihn lieben. Vielleicht vermissen wir hier auch ein Schuldbekenntnis des Petrus, aber durch die dreimalige Frage und die Antwort des Petrus ist alles gesagt: „Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Die Vergebung geschieht hier nicht durch große Worte, sondern in der Begegnung und der Erneuerung seiner Berufung: „Weide meine Schafe.“

3. Gnade und Erneuerung
Es ist erstaunlich, mit welcher Offenheit in der Bibel von dem Versagen der Jünger geredet wird. Wir sind da eher zu- rückhaltend. Aber besonders an Petrus wird deutlich, dass Jesus solche Versager gebrauchen will. Der einst so starke Petrus, dessen Weg über das Zerbrechen ging, ist jetzt für Jesus brauchbar. Wir würden einen zukünftigen Gemeindeleiter im Hinblick auf sein Amt fragen: „Was kannst du?“ „Bist du bewährt und welche Ideen hast du für den Gemeindebau?“ Jesus ist nur eines wichtig: „Hast du mich lieb?“

Jesus setzt Petrus als den Hirten seiner Gemeinde ein. Viele von uns sind auch zum Hirten beauftragt. Sie sollen den Schwachen tragen, nach den Kranken sehen, oder das kleine Lamm ein bisschen tragen, wenn es nicht mehr kann. Das ist das wunderbarste Zeugnis von Jesus, das wir in dieser Welt geben können. In nur wenigen Worten und oh- ne große Rechtfertigungen hat Petrus erlebt, wie Jesus gnädig ist, indem er die Wahrheit offenlegt, Vergebung schenkt und seine Berufung erneuert.