Blickpunkt Juni / Juli / August 2025 – Daniel KLein, cjb Verbandsjugendleiter, Puschendorf
Ich bin ein großer Fan von generationenübergreifenden Gemeinden. Ich bin überzeugt, dass die Ortsgemeinde bzw. Gemeinschaft nicht nur – wie Bill Hybels sagt – die Hoffnung der Welt ist, sondern ihr großes Potenzial vor allem dann entfalten kann, wenn sie als Gemeinschaft aller Generationen unterwegs ist.
Dass ich diese Überzeugung habe, liegt vor allem daran, dass ich in einer solchen Gemeinde aufgewachsen bin – einer Gemeinde, die mich persönlich und geistlich geprägt hat. Diese Prägung habe ich als sehr positiv erlebt. Ich denke zum Beispiel voller Nostalgie und Freude an unsere Gemeindefreizeiten zurück, die wir jeden Sommer für mindestens eine Woche erleben durften. Irgendwo in den Bergen wurde ein großes Selbstversorgerhaus angemietet – und dann wurde gewandert, gespielt, die Bibel geteilt und Gemeinschaft gelebt. Und zwar mit allen Generationen. Was für ein Schatz!
Wir leben heute in einer Gesellschaft, die stark nach Alter segmentiert: Kinder in der Krippe, Kindergarten und Schule, Jugendliche in ihrer Bubble.
Erwachsene im Arbeitsleben, Senioren im Ruhestand. Auch in Gemeinden erleben wir häufig eine gewisse Trennung der Generationen – nicht aus böser Absicht, sondern weil es praktischer, bequemer, vertrauter ist. Doch die Bibel zeigt ein anderes Bild: Gemeinschaft, die über Altersgrenzen hinausgeht. Eine Gemeinschaft, in der jeder seinen Platz hat – von den Kleinsten bis zu den Hochbetagten. Was macht diese Gemeinschaft so besonders? Und wie können wir sie leben?
Biblisches Fundament: Ein Leib, viele Glieder
Der Apostel Paulus schreibt im 1. Korintherbrief (12,12–27) vom Leib Christi: „Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl viele, ein Leib sind – so auch Christus.“ Diese Aussage gilt nicht nur für unterschiedliche Begabungen, sondern auch für Altersgruppen. In Gottes Augen ist jede Generation ein unverzichtbares Glied an seinem Leib. Die Alten tragen Erfahrung und Tiefe, die Jungen bringen Energie und neue Perspektiven. Erst gemeinsam spiegeln wir die Fülle Gottes wider.
Und auch an anderen Stellen der Bibel wird die Gemeinschaft aller Generationen gefeiert, wertgeschätzt und dazu ermutigt. In Titus 2 schreibt Paulus, dass die älteren Frauen und Männer den jüngeren ein Vorbild sein und sie anleiten sollen – nicht im Ton der Belehrung, sondern durch ein glaubwürdiges, gottesfürchtiges Leben. Im Psalm 145,4 heißt es: „Eine Generation rühmt der andern deine Werke und verkündigt deine machtvollen Taten.“ Es ist ein geistlicher Auftrag: Erzählt euch gegenseitig, wie Gott wirkt – heute, früher und morgen. Diese Erzählgemeinschaft ist nicht nur Tradition, sondern eine geistliche Lebensader. Und sowohl beim Propheten Joel als auch in der Apostelgeschichte wird davon berichtet, dass „Jung und Alt gemeinsam prophezeien“.
Die Stärken einer generationenübergreifenden Gemeinschaft
In einer solchen generationsübergreifenden Gemeinschaft geschieht etwas, das keine Altersgruppe für sich allein leisten kann:
- Ergänzung statt Konkurrenz: Die Jüngeren profitieren von der Lebenserfahrung der Älteren, die Älteren schöpfen neue Hoffnung und Freude aus der Lebendigkeit der Jüngeren.
- Bewahrung & Erneuerung: Die einen wissen, was sich bewährt hat, die anderen, was verändert werden muss.
- Verwurzelung in Geschichte & Vision: Junge Menschen lernen durch das gemeinsame Glaubensleben, dass sie Teil einer größeren Geschichte sind.
Solche Gemeinschaft gibt Identität, Halt und Mut für alle Lebensphasen. Sie widerspricht dem Zeitgeist der Selbstoptimierung und Vereinzelung – und wird so zu einem starken Zeugnis im Dorf, dem Stadtteil und der Welt.
Natürlich ist diese Form der Gemeinschaft kein Selbstläufer. Unterschiedliche Erwartungen an Gottesdienstgestaltung, Musik oder Gemeindeleben können zu Spannungen führen. Ältere fühlen sich manchmal abgehängt, Jüngere nicht ernst genommen. Manchmal liegt es schlicht an fehlenden Begegnungsmöglichkeiten oder am Rückzug in die „Wohlfühlgruppe“, die dieselbe Lebenswelt teilt. Und wenn wir anfangen, das Alter des anderen als Schwäche oder Andersartigkeit als Belastung zu sehen, stirbt der Austausch – und mit ihm ein Teil unserer geistlichen Lebenskraft.
Wenn wir dabei stehenbleiben nur die menschliche Seite der Gemeinschaft zu sehen, dann scheitern wir in der Gemeinschaft aller Generationen. Es kommt auf den an, der die Mitte und das Zentrum dieser Gemeinschaft sein will. Und von daher ist genau Christus in unserer Mitte gefragt – als der, der verbindet, versöhnt und eine neue Kultur des Hörens und gegenseitigen Dienens schafft. Er lädt uns ein, nicht stehen zu bleiben bei dem, was uns trennt, sondern Schritte aufeinander zuzugehen – nicht trotz unserer Unterschiede, sondern gerade wegen ihnen.
Was wäre, wenn wir als Gemeinde nicht mehr „jung“ oder „alt“, „modern“ oder „bewahrend“ denken würden – sondern als geistliche Familie, in der jeder gebraucht wird? Wenn Kinder am Abendmahl teilnehmen, Jugendliche im Gebetskreis mit Senioren beten, und Predigten so gestaltet sind, dass alle sich angesprochen fühlen? Gemeinde Jesu ist kein Club Gleichgesinnter, sondern ein Ort, an dem Gottes Geist durch alle Generationen hindurch wirkt. Wo die Weisheit der Alten auf die Sehnsucht der Jungen trifft. Wo aus Unterschied Reichtum wird – und aus Vielfalt Einheit.
Die Gemeinschaft aller Generationen ist kein organisatorisches Ziel und keine Sozialromantik. Sie ist ein geistliches Geschenk – aber auch eine Herausforderung. Wenn wir sie annehmen, wird unsere Gemeinde nicht nur bunter, sondern lebendiger. Diese Lebendigkeit hat mich die ersten Lebensjahre in meiner Gemeinde geprägt, bereichert und fasziniert. Und von so einer Gemeinde möchte ich heute auch ein Teil sein.