Ausgabe Juni / Juli 2017 – Theo Illi, Ostfildern

 

Trefflich sagt der Volksmund „Es menschelt bis zum Hochaltar“. Das klingt zunächst abwertend und negativ. Als ob es besser wäre, wenn es „unmenschlich“ oder gar weltfremd, abgehoben oder vollkommen zugehen würde. Trotzdem erstaunt es, dass der Apostel Paulus in seinem Brief an die Galater so offen über eine Auseinandersetzung mit dem Apostel Petrus berichtet. Was war geschehen?

 

„Als Petrus nach Antiochien kam, musste ich ihm offen entgegentreten und ihn ernsthaft zur Rede stellen. Denn was er tat, war falsch. Nach seiner Ankunft hatte er zunächst noch mit den Gläubigen, die unbeschnitten waren, zusammen gegessen. Als jedoch einige jüdische Freunde von Jakobus aus Jerusalem eintrafen, hatte er nicht mehr den Mut dazu, weil er die Missbilligung der jüdischen Gläubigen scheute. Daraufhin verhielten sich die anderen Judenchristen genauso heuchlerisch, und sogar Barnabas ließ sich von ihnen beeinflussen.“(Gal. 2,11-13)

Hintergrund:
Die Gemeinden in Galatien waren durch die Missionstätigkeit des Paulus und Barnabas entstanden. Bald wurden sie ihn eine schwere geistliche Auseinandersetzung hineingezogen. Apostelgeschichte 15 berichtet vom Apostelkonzil in Jerusalem. Der Plan einer strengen judenchristlichen Gruppe, wonach die Heiden zuerst das mosaische Gesetz annehmen sollten, bevor sie Christen wurden, wurde verworfen. Eine Minimalforderung, dass alle Heidenchristen, mit Rücksicht auf die Judenchristen vom Götzendienst, Unzucht, Fleisch von erstickten Tieren und Blutgenuss enthalten sollten, wurde von den Aposteln als genügend angesehen (Apg. 15,28).

Auswirkungen:
Eine judenchristliche Gruppe gab sich aber damit nicht zufrieden. Durch abgesandte Boten forderten sie die heidenchristlichen Gemeinden auf, das ganze mosaische Gesetz anzunehmen (Gal. 1,6ff; 5,1ff). Gleichzeitig bestritten sie die Rechtmäßigkeit des Paulus als Apostel (Gal. 2,9). Der Heidenapostel Paulus musste sich verteidigen. Die Auseinandersetzung mit den Judaisten war sehr notvoll. Paulus kämpft dafür, dass die Heiden, wenn sie Christen werden wollen, nicht zuvor Juden werden müssen und unter dem jüdischen Gesetz stehen. Gerecht wird ein Mensch vor Gott allein durch den Glauben an Jesus Christus, nicht durch Erfüllung des Gesetzes als menschliche Leistung. Die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben ist Kernstück des Evangeliums von Jesus Christus.

Situation:
Über den Besuch des Petrus in Antiochien wissen wir wenig. Er hatte eine göttliche Offenbarung in Joppe (Apg. 10,9ff; 10,34ff) und mit den Heidenchristen Mahlgemeinschaft gelebt. Als aber Jakobus und seine Freunde kamen, wurde Petrus weich und verleugnete aus Menschenfurcht die Heidenchristen (vgl. Matth. 26,69). Paulus nennt das Heuchelei und stellt Petrus öffentlich zur Rede. Die Wahrheit des Evangeliums steht auf dem Spiel sowie die Einheit der Christengemeinden aus Juden und Heiden.

Fazit:
Paulus und Petrus reden nicht hintenherum übereinander. Menschenfurcht und Heuchelei werden klar benannt und entschärft. Die Auseinandersetzung ist nicht unchristlich, wenn sie ihn Liebe und Wahrheit geschieht. Ja, es menschelt sogar unter den Aposteln in der Urgemeinde. Petrus, der Felsenmann (Matth. 16,18) und Säule der Apostel lässt sich von Paulus, dem ehemaligen Verfolger der Gemeinde zurechtweisen (Saulus hebr.: der Kleine und Geringe, vergleiche Apg 9,15). Sie halten sich an die Weisung (3.Mose 19,17): „Du sollst deinen Bruder nicht hassen sondern ihn zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld auf dich ladest.“ Darin kann uns Petrus und Paulus zum Vorbild werden. Auseinandersetzungen sind nicht das Schlimme, sondern wenn sie ungeistlich geführt werden. Petrus – voll Heiligen Geistes – ließ sich von Paulus zurechtweisen. Und Paulus, gehorsam und mutig, schwieg nicht feige. Galater 4,19 sagt uns: „Es geht durch Geburtswehen, bis dass Jesus Christus in uns Gestalt gewinnt und unser Leben und Verhalten prägt.