Ausgabe März / April / Mai 2020 – Christian Hertel, Roth und Steindl

Gedanken von Pr. Christian Hertel – fast ein Jahr nach dem Gnadauer Kongress Upgrade 2019
Es waren viele Eindrücke für die, die im März des vergangenen Jahres in Willingen dabei waren. Seitdem wird noch öfter von „Neu gründen“ oder „Neu beleben“ gesprochen. Aber was ist eigentlich gemeint und wo fängt das an?

Für mich war das Eindrücklichste ein Vortrag von Øivind Augland. Er war Pastor und Gemeindegründer der Evangelisch-Lutherischen Freikirche Norwegens. Inzwischen widmet er sich ganz der Bewegung „M4 Europe“, die er gegründet hat, um in ganz Europa sich vervielfältigende Gemeindegründungsbewegungen anzustoßen. Damit ist das entscheidende Stichwort auch schon genannt: „sich vervielfältigende Gründungsbewegungen“. Das hat mich herausgefordert in meinem Denken. Waren wir das nicht auch einmal in der Gemeinschaftsbewegung? Wie groß musste eine sonntägliche Stubenversammlung sein, damit man im Nachbarort eine neue beginnen konnte, wenn von dort zwei oder drei Interessierte kamen? Wie viele solcher Bibelkreise sind entstanden, weil jemand auf seinem regelmäßigen Weg durch eine Ortschaft für die Menschen dort gebetet hat und sehr gespannt darauf war, wann und wo sich eine Gelegenheit bot, mit jemandem aus dem Ort ins Gespräch zu kommen?

Augland ging in seinem abendlichen Vortrag ganz selbstverständlich davon aus, dass eine Gemeinschaft von 50 Mitgliedern die richtige Größe hat, um Gründer in ihren eigenen Reihen zu suchen, zu fördern und zu senden. – „Die haben wir in Roth und in Steindl auch!“ musste ich denken und merkte, wie mich das herausforderte. Das war eine neue Perspektive. Ich merke, wie sich von daher mein Blick verändert. Wir arbeiten seit Jahren dafür, dass wir mehr Menschen erreichen – dass mehr Menschen in unsere Veranstaltungen kommen. Aber da begegnete mir ein anderes Denken. Was, wenn es nicht darum ginge, dass mehr Menschen zu uns finden, sondern dass wir mehr Menschen befähigen zu Menschen zu gehen?

Und mal angenommen, es gibt sie in unseren Reihen, die Menschen mit „unternehmerischem Instinkt“. Also Jemand mit einem Gespür dafür, wo es sich lohnt etwas zu unternehmen – das muss nicht die Gründung eines Wirtschaftsbetriebes sein! Wie würde der wohl damit umgehen, dass bei uns die ersten beiden Plätze der wichtigsten Ziele von „Bestandspflege“ und der „Erwartung, dass man zu uns kommen muss“ besetzt sind? Auf einmal merkte ich, dass das nur schwer zusammen zu bringen ist. Entweder der „Unternehmer“ geht, weil ihm unser Rahmen zu eng ist, oder er passt sich an – ist aber am Ende kein „mutiger Neugestalter“ mehr.

Hatten die Geschwister vor hundert Jahren mehr Zeit, Kraft und Geld als wir, wenn sie eine neue „Bibelstunde“ begonnen haben, oder einen neuen „Jugendbund“? Oder ließen sie sich nur weniger lähmen und berauben von „kleiner Kraft“ und „hartem Boden“, „Bestandspflege“ und „Komm-Struktur“? Waren sie einfach weniger festgelegt durch Gemeindebilder und -konzepte?

Ich weiß es nicht. Aber ich merke immer mehr, wie schwer es allein von der Prägung und Kultur zu denken ist, dass ein 21-jähriger junger Mensch seine ungläubigen Freunde dadurch mit Jesus in Kontakt bringt, dass er sie in unsere Sonntagsgottesdienste einlädt. Und wenn er oder sie dann noch feststellt, dass unsere Experimentierfreude sich nur ganz knapp über dem Gefrierpunkt bewegt – was soll er tun, während wir darüber debattieren, aus welchen Epochen der christlichen Musikgeschichte je ein vertrautes Lied im Gottesdienst vorkommen muss?

Ein Beispiel wie ein Holzschnitt – ich weiß. Etwas grob und es wird vielem Bemühen in unseren Gemeinden nicht gerecht. Aber seit dem Kongress bewegt mich die Frage, ob wir grundlegender über unsere Arbeit nachdenken müssen.

Oliver Ahlfeld, der Gnadauer Referent für Neugründung und Neubelebung gibt dazu auf humorvolle Art Denkanstöße.

Er trägt „10 Tipps wie du auf keinen Fall gründen wirst!“ zusammen: