Ausgabe März / April / Mai 2020 

Ein Gespräch geführt von Walter Ittner mit Oliver Ahlfeld, dem Referenten für Neugründung und Neubelebung von Gemeinden im Gnadauer Gemeinschaftsverband.

Walter Ittner: Lieber Oliver, warum ist Neubelebung und Neugründung für dich so ein wichtiges Thema?
Oliver Ahlfeld: Weil Gemeinschaften wirklich zu Orten werden können, wo Mission gelingt. Gemeinschaften, die in den letzten Jahrzehnten einen schleichenden Rückgang erlebt haben, können durch einen Neubelebungsprozess neue Frucht erleben. Das finde ich wunderschön. Das treibt mich am meisten: Die Aussicht darauf, dass Menschen zum Glauben kommen, die Jesus bisher noch nicht kennen. Und das ist nichts Utopisches. Manche Gemeinden haben ja bereits ein Stück weit aufgegeben oder sind sehr resigniert und frustriert. Aber auch wenn uns unsere Zeit besonders schwierig vorkommt – gegen den Frust gibt es Möglichkeiten.

W.I.: Von den schwierigen Zeiten heutzutage hast du gerade bereits gesprochen. Man könnte ja auch kritisch anmerken: Wäre es nicht einfacher nur in die Gemeinden zu investieren, die eh schon toll laufen, anstatt sich mit schwierigen Verhältnissen abzukämpfen?
O.A.: Manche treiben diese „Denke“ noch weiter und sagen: „Bevor man eine Gemeinde neu belebt, lieber schließen und gleich neu gründen“.

W.I.: Und was sagst du dazu?
O.A.: Das würde ich grundsätzlich nicht so pauschal formulieren. Es kann bei sehr kleinen Gemeinschaften nötig sein. Jedoch geht es nicht nur um klein oder groß, auch im Reich Gottes nicht. Es geht mehr darum: Hat eine Gruppe von Leuten in der klein gewordenen Gemeinde eine Vision. Ist da noch was da? Möchten die noch was? Haben die etwas auf dem Herzen? Wenn die etwas auf den Herzen haben und noch „was wollen“, dann können gute Sachen geschehen. Das muss nicht immer groß sein. Pietismus konnte immer schon ganz gut klein. Das ist auch nicht schlimm. Aber es kommen eben Leute zum Glauben und wir pflegen nicht nur uns selber, das ist ein Unterschied.

W.I.: Was wäre denn für dich eine Vision, die trägt? Und welche Vision lässt uns dagegen scheitern? Man könnte ja zum Beispiel auch sagen: Ich will wachsen, weil ich wieder groß sein will oder damit ich stolz auf mich sein kann.
O.A.: Wenn man das immer vorher wüsste. Das setzt natürlich stets „Risiko“ voraus. Ein Neubelebungsweg ist keine Garantie. Eine Garantie auf Frucht gibt es nicht. Auch ein Bauer, der aussät im besten Wissen und Gewissen und auf fruchtbarem Land zu säen meint, kann unter Umständen auf harten Felsen säen, der darunter liegt. Natürlich ist dann der Bauer einerseits nicht schuld, weil er das nicht gesehen hat. Andererseits ist er vielleicht nicht gründlich gewesen. Das ist ja immer diese Mischung: Gott macht das alles alleine durch den Heiligen Geist. Doch wir machen auch was. Gott möchte, dass wir „hinein verwoben“ sind. Wir sind hinein verwoben in seine Art, dass das Evangelium zu den Menschen kommt. Und man weiß vorher nicht, was Frucht bringt und ob das „klappt“, was man tut.

Eine Vision, die trägt, ist oft eine, die in kleine Ziele formuliert ist. Der große Auftrag, die große Vision ist schön. Das kennen wir auch von Gott: „Machet zu Jüngern…“ aus Matthäus 28 oder „betet allezeit“. Nun muss ich jedoch diesen großen Auftrag in Mission, in Gebet, in geistliches Leben in kleinen Schritten im Leben umsetzen. Darum braucht es klare, einfache Ziele. Ein Ziel ist etwas anderes als der große Auftrag. Der große Auftrag ist: „Machet alle Welt zu Jüngern!“ Das kleine Ziel ist, dass eine Gemeinde beschließt: „Wir kümmern uns um die Obdachlosen am Bahnhof, damit die Jünger werden“. „Wir kümmern uns um die Kinder in unserem Stadtteil, damit die Jünger werden“. Wenn eine Gemeinde das tut, dann macht sie im wahrsten Sinne des Wortes das und nicht hunderttausend andere Sachen. Zusammengefasst empfehle ich: Aussicht auf Frucht ist ganz stark mit Konzentration auf bestimmte Dinge verbunden – und nicht immer alles zu machen und alle glücklich machen zu wollen.

W.I.: Was würdest du einer Gemeinde empfehlen, die sagt: „Wir haben schon so viel probiert, aber es hat alles nichts gebracht“.
O.A.: Erst mal, dass ich sie verstehen kann und dass sie sich überlegen müssen, was die Konsequenz dessen ist. Die Konsequenz kann zweierlei sein. Entweder: Wir hören auf, wir haben schon alles versucht! Oder wir versuchen es nochmal! W.I.: Stellen wir uns vor, eine Gemeinschaft sagt: Wir wollen es noch einmal versuchen. Wir wollen noch etwas ändern. Womit sollen sie anfangen? O.A.: Ich würde sagen: Ich glaube einige von den Dingen, die in der Bibel verborgen sind, habt ihr noch nicht probiert. Wenn eine Gemeinschaft sagt: „Wir haben schon alles versucht“, würde ich sagen: „Vielleicht fühlt es sich so an, aber Ihr habt noch nicht alles versucht“. Ihr habt vielleicht viel versucht, aber noch nicht ALLES. Ich würde in einer Begleitung immer anfangen mit einer Art Analyse. Mit der Frage: „Was können wir gut?“ und „Was können wir nicht so gut?“. Ich stelle beständig Fragen wie: „Was macht uns richtig Freude als Gemeinde?“ „Was hat uns stets Freude gemacht in den letzten Jahren?“ Das muss man ja auch gehabt haben, sonst wäre man vielleicht gar nicht mehr zusammen. Freude sowohl an Gottes Wort als auch an Gestaltungselementen und an Zielgruppen: Welche Menschen bereiten uns am meisten Freude? Dann können wir natürlich auch gleichzeitig fragen: Was machen und können wir nicht so gut? Und ebenso: „Worauf würden wir uns freuen, wenn es neu beginnen würde?“ Genauso aber: „Wovor haben wir Angst? Wo haben wir Bedenken?“ All das wird in einer Mitgliederversammlung gesammelt und ausgestellt, darüber geredet. Das ist ein guter Anfang, damit die Dinge transparent werden – wenn auch nur ein Anfang. Ich würde Fragen stellen, bei denen die Leute selber ins Gespräch kommen. Doch danach muss es weitergehen und es müssen Beschlüsse gefasst werden. Denn für das, was wir sehen, sind wir solide aufgestellt, aber wenn wir andere Frucht sehen wollen, müssen wir uns anders aufstellen, anders unseren missionarischen Auftrag gestalten.

W.I.: Lieber Oliver, vielen Dank für das Gespräch