Ausgabe Juni / Juli / August 2023 – Thomas Jeising

Kürzlich fragte mich jemand: „Wie kannst du dir so sicher sein, dass du das alles richtig siehst?“ Ich hatte einige Zusammenhänge des Glaubens erklärt und dabei wohl ziemlich klar kommuniziert: „So will es Gott, weil er in seinem Wesen so ist und weil er es so gesagt hat.“ Dem Fragesteller war sein Kinderglauben irgendwann fraglich geworden und er versuchte, ohne Glauben zu leben. Jetzt überlegte er, ob die Entscheidung nicht doch übereilt war. Mir war gleich klar, dass eine Antwort im Stile: „Das steht so in der Bibel und das muss man eben glauben!“, hier nicht helfen kann. Außerdem ist die Sache mit dem Glauben auch tatsächlich nicht so einfach. Die wichtigsten Punkte meiner Antwort will ich hier gern weitergeben. 

1. Schöpfung und Offenbarung 

Vor jeder Art, wie sich Gott offenbart hat, wie er uns etwas über sich und uns und unsere Beziehung zu ihm mitteilt, steht Gottes Schöpfung. Er hat die Welt gemacht, in die hinein er aus seiner Welt spricht. Gott schuf erst irdische Sprache und sprach dann mit diesem Instrument. Uns Menschen hat er auch die Sprachfähigkeit geschenkt, zu der das Verstehen gehört. Wenn ich die Mäuse aus meiner Garage oder die Ameisen aus meiner Küche raushalten will, steht mir dieses Instrument nicht zur Verfügung. Ich kann sie nicht mit Wörtern und Sätzen davon überzeugen, dass mir ihre Suche nach Wärme und Futter in meinem Zuhause nicht passt. Am Wunder der Sprache lässt sich gut verstehen, was es mit dem Besonderen von Gottes Offenbarung auf sich hat. Damit das Instrument zur Kommunikation funktioniert, muss es aufeinander abgestimmte Eigenschaften haben. Laute alleine reichen nicht aus, ebenso die Abfolge von Tönen nicht. Striche und Punkte auf einem Papier sind zu wenig. Sie müssen zusätzlich die Eigenschaft haben, dass man mit ihnen eine Bedeutung transportieren kann. Hieroglyphen sind so lange nur nette Bildchen für uns, bis wir verstehen, dass sie erstens eine Schriftsprache darstellen und zweitens welche Botschaften mit ihnen übermittelt werden. Dazu müssen wir die Sprache auch noch verstehen können. 

Gott hat uns Sprache geschenkt, weil sie sein Weg sein sollte, um mit uns zu kommunizieren. Das System Sprache muss dazu mit der übrigen geschaffenen Wirklichkeit korrespondieren. Nach einem Schlaganfall verlieren manche Menschen diesen Teil ihrer Sprachfähigkeit. Sie sprechen dann weiter mit Wörtern und ebenfalls irgendwie in Sätzen, aber für den Zuhörer ist keine Verbindung zur Wirklichkeit erkennbar. Es mag uns ähnlich gehen, wenn ein Mathematiker von seinen Theorien spricht, und wir uns fragen: „Wovon redet der Mensch?“ Andererseits kann man durchaus einen Menschen verstehen, wenn er unsere Sprache nur gebrochen benutzen kann, wenn man weiß, wovon er spricht. „Gelb ist grün“ las ich kürzlich in einer Poststelle. An sich ist so ein Satz Unsinn, aber in einer Poststelle kann man trotzdem verstehen, was gesagt werden soll. „Gelb“ steht eben auch für die Post und „grün“ für Umweltfreundlichkeit. Das alles kann nur funktionieren durch den Zusammenhang zwischen Sprache und Wirklichkeit. 

Die ganze Beobachtung lässt sich gut mit dem Erlebnis vergleichen, das man hat, wenn man einen Schlüssel in ein Sicherheitsschloss steckt und es sich öffnet. Der Schlüssel passt! Natürlich nicht zufällig. Denn er wurde genau für dieses Schloss angefertigt. Meine Gewissheit in Bezug auf Gott kommt daher. Der Schlüssel passt: Mein Wesen, mein Herz, meine Sehnsüchte und Gottes Wesen, sein Herz, sein Wille passen zusammen. Das liegt offenbar nicht daran, dass ich sowieso mit allem einverstanden bin, was Gott will, sondern am wahrscheinlichsten daran, dass Gott mich sogar besser kennt als ich mich selbst. 

2. Botschaft aus der anderen Welt 

Eines muss ich noch wissen, damit ich nicht etwa einer Selbsttäuschung unterliege. Hätte ich selbst Schloss und Schlüssel angefertigt, wäre es keine Überraschung, dass sie zusammenpassen. Wäre das, was ich für eine Botschaft von Gott halte, meine eigene Erfindung – ob bewusst oder unbewusst – beruhte meine Gewissheit auf Täuschung und Irrtum. 

Vor mehr als 45 Jahren wurde die Raumsonde „Voyager 1“ der US-amerikanschen Raumfahrtbehörde NASA ins Weltall geschossen. Sie ist inzwischen rund 24 Milliarden Kilometer von uns entfernt. An Bord trägt sie auch eine Schallplatte mit Botschaften von der Erde und ein paar Bilder und Symbole. Falls Außerirdische die Sonde finden, sollten sie die Botschaften entschlüsseln können und verstehen, dass intelligente Wesen sich über eine Kontaktaufnahme freuen. Würde die Sonde in ein paar hundert Jahren auf der Erde landen und sich niemand mehr an sie erinnern, dann würden Menschen die Botschaften verstehen und könnten denken, dass sie von Außerirdischen stammen, die ihnen sehr ähnlich sind. 

Woher also wissen wir, dass sich Abraham oder Hagar, Mose oder Elia, Jesus oder Johannes nicht alles nur eingebildet haben und nur ihren eigenen Ideen gefolgt sind? 

Auch hier spielt wieder eine Rolle, dass Gott sich nicht nur durch eine gelegentliche Stimme offenbart hat, die jemand in Verzweiflung hörte. Natürlich kann so etwas eine Täuschung sein. Aber Gott hat uns im Zeugnis der Bibel gezeigt, dass seine Offenbarung ein Prozess über rund 2000 Jahre war. Gottes Handeln war dabei keineswegs primitiv, sondern er redete „auf vielerlei Weise“. Seine Botschaften sind dabei so miteinander verflochten, dass sie sich sinnvoll über Jahrhunderte ergänzen, z.B. über das Prinzip von Verheißung und Erfüllung. Dabei transportiert die Bibel im Ganzen eine Weltsicht, die – ganz im Gegensatz zu allen anderen Religionen oder Weltanschauungen – sehr gut zu dieser  Welt passt. Offenbar kann sich so etwas kein Mensch ausdenken. Erst recht kann niemand außer Gott einen solchen Prozess der Offenbarung steuern. Wieder passt der Schlüssel genau ins Schloss. Wenn das Schloss trotzdem manchmal schwergängig ist, dann liegt das offenbar nicht an der mangelnden Passung, sondern daran, dass es verschmutzt oder rostig ist, was sich beseitigen lässt. 

Was macht mich also so zuversichtlich und gewiss? Gottes Botschaft passt zu der Welt, in der ich lebe. Sie passt zu mir und meinem Herzen. Ich konnte sie mir nicht selber ausdenken. Das hat die Kraft, mich wirklich zu trösten. 

Thomas Jeising, Jg. 1963, verheiratet und hat drei Kinder. Er studierte Theologie in Gießen und Apeldoorn und steht seit über 20 Jahren im Gemeinde- und Lehrdienst; seit 2013 ist er Gastdozent am Martin-Bucer-Seminar, seit 2014 Schriftleiter des Bibelbundes und seit 2015 Studienleiter der Siloah-Bibelschule in Herchenhain.